Stadt und Film
11. – 31.05.2023
Das Kino prägt unser Bild von Städten, genauso wie inszenierte Bilder von Städten unsere Filme prägen. Die vom ArchitekturForumBern initiierte Filmreihe geht anhand ausgewählter Werke diesem vielschichtigen Wechselverhältnis zwischen Stadt und Film nach. Parallel zu den Vorstellungen im REX findet im Kornhausforum eine thematisch abgestimmte Vortragsreihe statt.
Jacqueline Maurer und ArchitekturForumBern
Stadt und Film sind seit der Erfindung des bewegten Bilds in den 1890er-Jahren aufs Engste miteinander verwoben. Bereits die von den Gebrüdern Lumière in die Welt hinausgeschickten Operateure fanden im urbanen Alltag allerhand filmwürdige Szenen für ihre Kurzfilme. Nach dem Aufkommen der ersten Lichtspielhäuser Ende der 1910er-Jahre und parallel zur Etablierung des Erzählkinos, gehörten Kinofassaden schon bald zum einprägsamen Stadtbild der Metropolen. Seither erfahren wir das Wechselverhältnis von Stadt und Film sowohl auf der Kinoleinwand als auch in Architektur und Städtebau.
Die Stadt als Erfahrungs- und Erlebnisraum prägte nicht nur die Entstehungsgeschichte des Films, der Kinos und der Kinokultur, sondern die gesamte Filmgeschichte. Mit Stadtpanoramen beginnen bis heute unzählige Spiel- und Dokumentarfilme. Sie verorten ihre Geschichten in Metropolen, Gross- und Kleinstädten und kreieren stimmungsvolle Einblicke in städtische Lebenswelten. Urbane Räume werden in Filmen zu Fuss, mit Zweirädern und Autos, Bussen und Trams durchquert; in die Stadt hinein- und hinausgefahren und -geflogen wird mit dem Zug oder Fluggerät. Unbesorgtes Flanieren an der Uferpromenade oder im Park, zielstrebiges auf ein Gebäude Zumarschieren, gehetztes Rennen durch die U-Bahnstation genauso wie die Verfolgung von Fahrzeugen in Strassenschluchten und die Eindrücke aus ihnen hinaus sind für Filmschaffende und -schauende so bekannte wie beliebte Motive. Handlung und Schauplatz werden untrennbar miteinander verknüpft. Dies zeugt von der Stadt als Bühne des Lebens genauso wie vom filmischen Bewegtbild als kongeniale Partnerin in der sich stetig wandelnden urbanen Welt.
Doch wie genau wird Stadt im Film dargestellt und inszeniert? Wie werden städtische Räume und Szenen eingesetzt, um bestimmte Stimmungen zu erzeugen und Erzählungen voranzutreiben? Welche Kriterien machen eine Stadt städtisch und welche Ansichten, filmischen Mittel und Verfahren erzeugen die filmische Erfahrung einer Stadt? Wie steht es um das Wechselverhältnis zwischen realwirklicher, vorfilmischer Stadt und deren filmischer Inszenierung, Verzerrung und Überhöhung? Wie wird die räumliche und soziale Erfahrung unterstützt durch Figuren-Platzierung und -Bewegung, durch Filmformatwahl, Kameraeinstellungen, -bewegung und -fahrten, Licht, Ton, Musik und Montage? Dies zu studieren, setzt nur wenig voraus: Filme zu schauen und der filmischen wie der realen Stadt mit offenen Augen und Ohren zu begegnen.
Das REX hilft mit einer Filmauswahl auf die Sprünge. Es bringt existierende und vielleicht werdende Klassiker, selten gesehene Glanzstücke und eine verkappte Liebeserklärung an Bern auf die Leinwand.
E nachtlang Füürland von Clemens Klopfenstein (1981) ist eine semidokumentarische Odyssee durchs nächtliche Bern. Der Radioreporter Max lässt sich nach einem Abstecher ins Bundeshaus durch das Berner Nachtleben treiben, durch eisige Gassen und dunkle Lauben, von einer Bar zur nächsten. Cyril Schäublin hält in Dene wos guet geit (2017) dem privilegierten Schweizer Mittelstand den Spiegel vor und filmt, handlungsarm, aber umso bildstärker, das ereignislose Alltagsleben in einer herausgeputzten Schweizer Grossstadt. L’Eclisse (1962) von Michelangelo Antonioni stellt das unfertige, von Mussolini initiierte römische Quartier EUR dem Centro Storico Roms gegenüber und kritisiert die Geschichtsvergessenheit der italienischen Gesellschaft, die sich komplett dem «miracolo economico» hingibt. Einen erstaunlich subtilen und informierten Blick auf die sich im Modernisierungsprozess befindende Stadt Paris und ihre Bewohnenden entwirft die unlängst verstorbene und kaum bekannte Yannick Bellon in Quelque part quelqu’un (1972). La Grande Bellezza (2013) von Paolo Sorrentino gelingt es, mit dem im mondänen Rom verkehrenden Protagonisten und Möchtegern-High Society-König Jep Gambardella den noch nicht bekehrten Kinobesuchenden das Lieben Roms zu lehren. Sebastian Schippers junge Partytruppe im One-Take-Film Victoria (2015) beginnt mit einem harmlosen Clubbesuch im Untergrund und entwickelt sich in den frühen Morgenstunden zu einem Thriller in den Berliner Strassen. Eine Auswahl der Dokumentationsserie Homo Urbanus (2017–2022) von Beka & Lemoine zeigt filmisch inszenierte Alltagssituationen des städtischen Lebens von Napoli bis Tokyo und porträtiert die Kontraste der verschiedenen Städte. Die von Ridley Scott filmisch aufwendig produzierte Dystopie Blade Runner (1982) zeigt den cyber-punkigen (Über-)Lebensraum im Los Angeles der Zukunft von 2019 und wirft dabei die Frage nach dem Menschsein auf. Die Filmreihe schliesst mit Michael Glawoggers Megacities (1998) und nimmt final eine globale Perspektive ein, die das Leben und Arbeiten auf den Strassen der weltweit grössten Städte unkommentiert dokumentiert.